Techniker trifft Kaufmann
Da war es ein glückliches Zusammentreffen, daß gerade zu Beginn
der 80er Jahre Wunibald Braun
seine kaufmännische Tätigkeit in Rußland beendete und sich
in Frankfurt am Main niederließ, um nach einem anderen Wirkungskreis
Umschau zu halten. Wunibald Braun wollte sich mit den neuen technischen
Dingen befassen.
Sein Bruder Karl Ferdinand Braun, später berühmt als Erfinder der Braunschen
Röhre und Nobelpreisträger für Physik 1909, machte ihn aufmerksam
auf Eugen Hartmanns Werkstätte und auf die großen Entwicklungsmöglichkeiten
der Elektrotechnik. Auch Leo Grätz, als Unparteiischer zu Rate gezogen,
sagte eine gute Zukunft voraus.
1882 vereinten sich Techniker und Kaufmann unter dem Namen: E.Hartmann & Co, Würzburg
Nun konnten die Versuche in größerem Umfang fortgeführt werden,-
ja das Bestreben ging schon nach einer "Fabrik electro-technischer Apparate".
Der Wille richtete sich verstärkt auf das Gebiet der angewandten Elektrizität.
Noch fehlte es da an einem einfach gebauten Amperemeter, mit dem Ingenieur
und Maschinist ohne Schwierigkeit im Betrieb umgehen konnten. Nach Kohlrauschs
Angaben wurde das
Feder-Galvanometer gebaut,
wofür Hartmann mit der Strom-Waage die Vorversuche gemacht hatte.
Kohlrausch ging in der Werkstätte ein und aus; er war stundenläng
dabei, wenn am Feder-Galvanometer gearbeitet wurde.
Als auf Empfehlung von Wunibald Braun die Instrumentenbaufirma im Jahre 1884 nach
Frankfurt-Bockenheim in der Gräfstraße verlegt wurde, entstand
eines der bedeutendsten Frankfurter Unternehmen der Elektrotechnik.
1888 wurde die optische Abteilung zugunsten der Ausweitung der Produktion elektrotechnischer Mess- und Schaltgeräte
aufgegeben. 1892 beschäftigte die Firma bereits rund 140 Arbeiter.
Wie alle in Frankfurt und Umgebung ansässigen Firmen der Elektroindustrie profitierte auch Hartmann & Braun stark
von der 1891 in Frankfurt veranstalteten Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung. Nach einer amerikanischen Anregung
nahm die Firma nach Ende der Ausstellung die Fertigung der neuen Drehspul-Messgeräte auf. In den folgenden Jahren wurden
Messgeräte für viele wichtigen Bereiche elektrischer Messmethoden entwickelt.
Am 22. Juni 1901 mit Wirkung ab 1.1.1901 wurde die Rechtsform des Unternehmens
von der Offenen Handelsgesellschaft in eine
Aktiengesellschaft mit einem Aktienkapital
von 1,7 Millionen Mark umgewandelt. Die Eintragung erfolgte am 10.8.1901.
Alle Aktien blieben im Besitz der Familien Hartman und Braun.
Der Schwerpunkt der Produktion lag nun auf der Entwicklung elektrischer Meßgeräte. Beim Bau dieser
Geräte hatte sich immer mehr gezeigt, daß es notwendig war,
alle Einzelteile der Geräte nach Möglichkeit selbst zu fertigen.
Zu den bereits bestehenden Sonderwerkstätten wie Stanzerei, Fassondreherei,
Feintischlerei kamen nun eine Uhrmacherwerkstätte und eine Druckerei
für Skalen und Registrierstreifen hinzu. Bei der Auswahl der Rohstoffe,
beim Bearbeiten der Einzelteile mußte mit größter Sorgfalt
vorgegangen werden. Deswegen wurden trotz mitunter höherer Kosten
alle Teile im eigenen Werk gefertigt.
Weiterhin kam es darauf an, beim Wachsen der Belegschaft für guten Nachwuchs
zu sorgen, denn die Präzisionsarbeit erforderte geschickte und gebildete
Feinmechaniker. Deshalb richtete Hartmann eine
Lehrlingsschule 1905 im
eigenen Werk ein, um für das Sondergebiet der elektrischen Meßgeräte
eigene Leute heranzubilden und ließ
Demonstrationsgeräte für Schulen und Hochschulen bauen.
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Halbring-Elektromagnet nach H. du Bois
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Ebenfalls entwickelte sich die Produktion von registrierenden Geräten,
den sogenannten Schreibern. Als erstes Schreibgerät wurde das Kohlrausch'sche
Feder-Galvanometer ausgebildet, wobei sich von selbst der Vorteil der rechtwinklig
geradlinigen Koordinaten auf dem Schreibstreifen ergab. Auch späterhin
wurde trotz mancherlei Schwierigkeiten bei allen Schreibgeräten die
Konstruktion stets so getroffen, daß die Aufzeichnung der Kurve im
rechtwinklig geradlinigen Netz erfolgen konnte.
Richard Fischer, der Gehilfe der Würzburger Werkstätte, war inzwischen
Leiter des Konstruktionsbüros geworden. Ihm gelang es, das Uppenborn'sche
Weicheisengerät, bewährt als Gleichstrommesser, so zu verbessern,
daß es als billiges, vorzüglich gedämpftes Gerät auch
für Wechselstrom auf den Markt gebracht werden konnte. Dr. Th. Bruger,
der Chefphysiker bei Hartmann & Braun, hatte das Quotienteninstrument und
damit den ersten direkt anzeigenden Phasenmesser herausgebracht. Vor allem
stammt von ihm das Kreuzspul-Ohmmeter, der erste von Schwankungen der Meßspannung
unabhängige Widerstandsmesser, dessen große Bedeutung für
Fernmessungen erst nach Brugers Tode offenbar wurde.
Auch der Zungen-Frequenzmesser nach Hartmann-Kempf entstand in jener Zeit, als das Überwachen der
Frequenz und das Parallelschalten großer Wechselstrom-Maschinen notwendig
wurde. Unter den wissenschaftlichen Meßgeräten erreichte der
Halbring-Elektromagnet nach H. du Bois Bedeutung.
1912 war Wunibald Braun gestorben, drei Jahre später Eugen Hartmann. Die Söhne
beider Gründer, Dr. Franz Braun, Dr. Leonhard Braun sowie Dr. Robert
Hartmann-Kempf traten im Lauf der Jahre in das Werk und ihre Verwaltung
ein und übernahmen die Führung. 1915 starb auch der Chefphysiker
Dr. Th. Bruger; 1920 folgte ihm Dr. Franz Braun.
Ab 1930 vollzog man den Schritt von der Meß- zur Regelungstechnik. Fallbügelregler
mit Quecksilberröhren wurden vor allem für die Temperaturregelung
eingesetzt. Die Analysentechnik, die im Zuge der Weltwirtschaftskrise entstand,
wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ausgebaut.
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