Hartmann & Braun in der Weltwirtschaftskrise ...
Anfang des Jahres 1930 kündigte sich die Zuspitzung der wirtschaftlichen
Lage auch bei H&B erstmals an. Aber die meisten glaubten noch, daß
es sich um eine nur vorübergehende Schwächung handeln würde
und hofften, tiefgreifende Maßnahmen vermeiden zu können. Trotzdem
ersetzte der damalige Betriebsleiter
Hugo Pisch ausscheidende Mitarbeiter
kaum noch, so daß schon eine langsame und unauffällige Verminderung
der Mitarbeiterzahl eintrat.
Dann aber fiel die Krise mit voller Wucht ein. Der Auftragseingang sank rapide
in beängstigende Tiefen, bis er 1932, am Tiefpunkt der Krise, nur
noch 40 % der inzwischen gewohnten Normalwerte betrug. Die Kapazität
des Werkes wurde weit über die Hälfte nicht mehr ausgenutzt,
Kündigung folgte auf Kündigung, die Mitarbeiterzahl mußte
radikal um 57 % gekürzt werden; viele derer, die noch da waren, hatten
die vorsorgliche Kündigung in der Tasche. Kurzarbeit im ganzen Werk,
Zähne zusammenbeißen und weiter arbeiten und trotzdem keine
Aussicht auf Besserung!
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Teilansicht der feinmechanischen Montagewerkstatt von H&B in den 30iger Jahren
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Der Umsatz war in der kritischen Zeit auf ein Drittel des Umsatzes von 1929
gesunken und bewegte sich noch unter den Größenordnungen, die
vor dem ersten Weltkrieg in den Jahren 1912 und 1913 üblich waren.
Von diesem Umsatz fiel noch ein guter Teil auf die "Russenaufträge
", die zwar dem Werk entscheidend halfen, aber in ihrer ganzen Struktur
keinen Dauerwert darstellten. 1931 war auch das erste Jahr in der Geschichte
des Werkes, das mit einem offenen Verlust in der Bilanz abgeschlossen werden
mußte.
Natürlich wurde in diesen Jahren versucht, was irgend zu versuchen war.
Schon vor Eintreten der Krise war Dr. Werner Röthig, ein Neffe Dr.Hartmann-Kempfs,
zu H&B gestoßen und hatte sich als Hugo Pischs rechte Hand an
die Behandlung einiger Sorgenkinder des Betriebes gemacht. Er klärte
das Terminwesen und richtete die Terminstelle ein, und er befaßte
sich auch intensiv mit der Kostenerfassung, der er mit Hilfe des Hollerith-Systems
zu Leibe rücken wollte. Der Vertrag mit der Hollerith-Gesellschaft
(die spätere IBM) noch zu Zeiten der Hochkonjunktur abgeschlossen
- wurde in den folgenden Jahren zu einer schweren Belastung, ganz davon
abgesehen, daß bei einer tief gesunkenen Belegschaftsstärke
der Einsatz der Maschinen nicht mehr lohnte.
In den Jahren 1931 und 1932 wurden im Zuge der Entlassungen ganze Werkstätten
stillgelegt oder mit anderen zusammengelegt, die Betriebsdirektion wurde
vereinheitlicht und die Betriebsorganisation gestrafft.
Jüngere Kräfte im Werk drängten mit stürmischer Initiative
auf technischem Gebiet zu neuen Wegen. Auf Anregung von Dr. Blamberg entstanden
ab 1930 in enger Gemeinschaftsarbeit zwischen Labor und KB unter dem Stichwort
"billige Präzision" die ersten Geräte der Avi-Reihe. Während
in der ganzen Wirtschaft die Mittel zur Beschaffung von Meßgeräten
immer geringer wurden, auf der anderen Seite aber der technische Fortschritt
zum Einbau immer weiterer Meßstellen drängte und das durch Messen
zu erreichende Sparen großgeschrieben wurde, eröffnete sich
hier ein weites Feld. Die Werkzeitschrift "Skala" hat im Heft 3/1953 die
Avi-Entwicklung geschildert. Das Multavi I
entstand und durch Einbau eines Kupferoxydulgleichrichters wurde beim
Multavi II die Messung
für Gleich- und Wechselstrom ermöglicht. Die kleine Meßbrücke
Pontavi folgte bald darauf [Die Skala,
8/1954].
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